winter: grünkohl / ’nachricht von dem anbau und von der erhaltung des grünen kohls, zur winters-zeit‘ von philipp ernst lüders

Erstlich bin dahin bedacht, daß ich einen guten, von Geschmack angenehmen, Kohl besitze. Unter allen Kohl=Sorten halte die hellgrüne und krause für die allerbeste zum Küchengebrauch. Obgleich der schlechtblätterige Kohl zum Gebrauch bey dem Vieh nutzreicher, und die Sprossen aus dem Stamm weit zahlreicher sind; so ist er doch ungleich zäher und der Gefahr von den Raupen weit mehr unterworfen. Man will zwar fürgeben, daß er gleichfalls im Winter haltbarer sey, als der grüne krause; allein, wenn man gleich ein Exempel davon aufweisen könnte; so dürfte es eben so leicht seyn, den Beweis von einem gegenseitigen Exempel anzuführen. Von dem Vorzug: Ob die dunkele, oder die grüne Farbe in der Schüssel dem Liebhaber besser ins Auge falle, will ich nichts melden, weil darin das Urtheil ungleich ausfallen dürfte. Dies aber wird an dem hellgrünen krausen Kohl als ohnstreitig können bemerkt werden, daß er ungemein zart sey, sehr gut und lieblich schmecke, leichter und geschwinder sich kochen lasse, und die Feuerung dabey ersparet werde; Ferner, daß, wenn man fürsichtig mit dem Samen=Zug verfährt, er nie ausarte; und endlich, daß er in solchen Jahren, in welchen die Raupen vielen Schaden anrichten, eine natürliche Fähigkeit an sich habe, deren Wuth zu widerstehen.

Was ich von dessen vorzüglichen Tugenden angeführt, das kan der Augenschein, das Gefühl, der Geschmack und die Erfahrung am sichersten beurtheilen. Von dem Geschmack habe vorher gesagt, daß ich über dessen Ausspruch mich nicht einlassen will; dies dürfte aber wol gewiß seyn, daß, wenn er Einem nicht anständig seyn sollte, Zehen dargegen sich für ihn geneigt erklären dürften. Daß er in der Dauer und in seiner Güte unveränderlich seyn könne, davon kan ich den sichtbaren Beweis führen, indem ich ihn über 20 Jahre lang unverändert erhalten habe. Mir ist auch nicht bange, daß er sich jemals verändern und schlechter werden wird.

philipp ernst lüders, ’nachricht von dem anbau und von der erhaltung des grünen kohls, zur winters-zeit‘, flensburg, 1772

12 Gedanken zu “winter: grünkohl / ’nachricht von dem anbau und von der erhaltung des grünen kohls, zur winters-zeit‘ von philipp ernst lüders

  1. Da sitzt aber auch jedes Wort und jeder Satz ist ein Kracher. Liebe Grüße, Stefanie (ebenfalls darauf bedacht, dass ich morgen einen guten, von Geschmack angenehmen, Kohl besitze. Rotkohl versteht sich.)

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  2. wir zehren auch noch vom Kohl, am liebsten habe ich Cavolo Nero, der behütet im Mini-Tunnel steht, aber auch der lila Grünkohl ist lecker. am wenigsten mag ich Blumenkohl, frohes Fest dir und dem Rentier 😉

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  3. Wunderbar! Als emigrierter Westfale (Berlin) bevorzuge ich die norddeutsche Grünkohlvariation mit Ammerländer Pinkel und Bregenwurst. Letztere darf lt. Verkäufer allerdings nicht mehr mit Hirnmasse gefüllt werden da selbige von den Verbietern dringend benötigt wird. Ich koche auch wahre Unmengen die dann portioniert eingefroren werden und in der Wintersaison ein beruhigendes Gefühl vermitteln. Nach dem zweiten Erwärmen schmeckt er uns übrigens am Besten.Und um die Reste balgen sich Fritz&Willi (die Vierbeiner).

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    • hier in hamburg bzw. altona (in dänemark machen sie ihn mit sahne …) gibt es immer die münsterländer variante: mit mettendken! & (zum glück gefundener) westfälischer ‚winterköttelbirne‘ … portion wie immer zu gross: heute tag 3 😉

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